Ja, was macht eigentlich Papa? Oder besser gesagt: WIE macht es eigentlich Papa? Wie bringt ein Papa Job, Kinder, Beziehung, Hobbies und alles andere, was das Leben von einem will, unter den berühmten einen Hut?
Und was fühlt er dabei? Und was sagt er dazu?
Für die Beantwortung dieser Fragen ist es ja erstmal einerlei, ob ein Kind „normal“, für hier also neurotypisch, ist, oder ob es in sich in irgendeiner Form anders entwickelt. Ein Kind verändert alles. Die Alltagsgestaltung, den Blickwinkel, die Prioritäten und die Paarbeziehung. Diese Feststellung ist möglicher Weise der einzige gemeinsame Nenner aller Elternteile und aller Paare.
Ansonsten ist es natürlich überall unterschiedlich. Es geht ja nicht nur darum, wie man „organisiert“ ist, also wer wann wieviel arbeitet und wer welche Aufgaben rund um Haushalt, Einkaufen, Kinderbetreuung, Versicherungen, Anschaffungen, Bausparverträge, usw. hat, oder haben sollte oder theoretisch hätte, sondern auch darum, wie man mit seinen Rollen und Aufgaben, und auch mit seinen Bedürfnissen und Emotionen umgeht. Und da gibt es halt so viele Unterschiede wie es Menschen auf der Welt gibt…
Wenn das eigene Kind dann auch noch anders ist, nicht nur besonders, so wie jedes Kind, dann kommt womöglich noch ein weiterer Aspekt hinzu. Organisatorisch und emotional.
In meinem Umfeld sind doch einige Familien, in denen andere Kinder leben. Das sind Kinder mit ADHS, Hochbegabung, Hypersensibilität, körperlichen Behinderungen oder Asperger, manche sind auch gleich mit mehreren Diagnosen belegt. Einige leben mit (neurotypischen) Geschwisterkindern, andere als Einzelkinder. Bei einigen Familien sind die Eltern getrennt, in anderen nicht, bei manchen arbeiten beide, oder (vorübergehend) nur einer, das findet sich alles irgendwie gemischt. Voll normal.
Doch ein Phänomen ist bei allen diesen Familien meines Umfelds gleich: mit den Müttern bin ich in gutem Kontakt, wir reden viel über das, was uns bewegt. Wir stärken uns gegenseitig, die berühmte Stutenbissigkeit hat hier keinen Platz. Doch die Väter – die kommen kaum vor. Weder unmittelbar, noch in den Gesprächen unter uns Müttern. Manchmal, wenn es einen Streit gegeben hat, der zusätzlich zu allem anderen aufs Gemüt drückt, dann schon, aber auch dann geht es ja in Wirklichkeit nicht darum, was der streitende Vater grade durchmacht, sondern eher, was die Mutter dazu bewegt.
Ich befürchte, bei unseren Gesprächen unter Müttern geht damit ein ziemlich wichtiger Blickwinkel verloren: Der Papa-Blickwinkel. Der Papa ist ja nicht irgendeiner, sondern das andere Elternteil. Die anderen 50%. Auch, wenn man zerstritten, getrennt oder am anderen Ende der Welt lebt. Niemand fühlt das Kind so, wie Mama und Papa.
Was macht es mit einem Vater, wenn er sich zum Beispiel einen sportlichen, ehrgeizigen, selbständigen Jungen gewünscht hat, und ein zurückgezogenes, hochbegabtes Mädchen bekommen hat, das ständig Probleme aus der Schule mit nach Hause bringt, weil es da eigentlich gar keinen richtigen Platz findet? Fühlt er sich kompetent, sich Seite an Seite mit ihr in den Gegenwind zu stellen, um sich den Herausforderungen ihres Lebens zu stellen? Oder hadert er und fühlt sich der Sache irgendwie nicht gewachsen? Weil er ja gar nicht weiß, wie ein Mädchen fühlt, und weil er auch zu viel weg ist von zu Hause und gar nicht richtig „reinkommt“ in die Situation? Egal wie: wer oder was stärkt ihn? Wo ist seine Ressource? Und wie schätzt er die Lage ein? Von den Müttern meines Umfelds weiss ich das, von den Vätern leider noch nicht.
Mir ist völlig klar: es gibt nicht DEN Papa. Jeder Vater ist anders, hat andere Erwartungen und eine andere Art, mit den Überraschungen des Lebens umzugehen. So wie jede Mutter. Ist doch klar.
Ich möchte behaupten, nicht nur mit dem weltbesten Ehemann, sondern auch mit dem weltbesten Vater unter einem Dach zu leben.
Bei uns geht es total spießig zu. Wir haben erst geheiratet, dann zwei Kinder bekommen. Wir haben alle Vier den gleichen Nachnamen, natürlich seinen. Ich kümmere mich um die Wäsche, er sich um die Versicherungen. Ich packe die Koffer, er schleppt die Getränkekisten. Ich buch den Babysitter, er zahlt im Restaurant die Rechnung. Er geht zum Zelten, ich noch schnell in den Biomarkt, um die Dinkelkekse mit wenig Zucker zu kaufen. Voll normal.
Wir reden viel miteinander, darauf achten wir sogar. Aber ganz ehrlich: ich weiß gar nicht, ob er damit hadert, dass unser Großer ein Asperger-Autist ist. Ich weiß nicht, was er sich eigentlich für ein Kind gewünscht hätte, und ich hab irgendwie bisher vergessen zu fragen, ob er sich bei dem Thema eigentlich stark und kompetent fühlt. Und ob er sich schonmal mit einem Vater oder einer Mutter eines anderen Kindes dazu ausgetauscht hat, wie das so ist, und wie es so werden könnte.
Ich nehme mir die meisten Aufgaben rund um unser anderes Kind, und er lässt mich gewähren. Doch vielleicht fühlt er sich ja ausgeschlossen? Oder ist er im Gegenteil ganz froh, dass er da nicht „mit von der Partie“ sein muss? Über die Zeit habe ich sowas wie die Deutungshoheit über die Andersartigkeit bekommen, sie ist gewissermaßen zu meinem Spezialgebiet geworden. Doch wenn am Ende meiner Reise herauskommen soll, dass Asperger und andere „tiefgreifende Entwicklungsstörungen“, wie sie so schön genannt werden, nicht mehr „ach so, naja, ist doch ok, aber es muss ja auch nicht gleich jeder wissen“ ist, sondern sich in unseren Köpfen etabliert hat als „aha, der kommt aus Berlin, hat braune Haare und ist Asperger“, dann sollte ich doch erstmal viel mehr darüber wissen, wie der Blickwinkel des weltbesten Vaters ist. Ich werde schnellstens danach fragen. Und dann die anderen – bestimmt genauso weltbesten- Väter. Vielleicht ist der ein oder andere froh, auf diese Reise mitgenommen zu werden. Und sei es nur stationsweise. Vielleicht möchten einige aber auch nur viel Glück wünschen und immer wieder von Weitem winken. Das ist genauso ok. Und voll normal.